28.8.06

Online

"Es ist vollbracht", sagte er und rieb sich dabei stolz die Hände.
"Was?" sagte ich, doch er grinste nur. Dann griff er in die Innentasche seines Jackets, holte einige Fotos hervor, und knallte mir diese nacheinander auf den Tisch, an dem wir beide saßen.
"Meine Website, mein Forum, mein Blog!"
Zack - Zack - Zack!
Schweigen herrschte eine weile. Man hörte nur die Grillen zirpen, das unaufhörliche, nach Sommer klingende Zirp-Zirp, und das, obwohl es gar kein richtiger Sommer war. Der richtige Sommer hatte im Juli stattgefunden. Temperaturen um die 40°C; doch daran erinnerte sich eh niemand mehr.
Beide starrten wir die Bilder an.
"Website, ok", sagte ich schließlich, um überhaupt nur irgendetwas zu sagen. "Das sehe ich ja ein. Die alte wirkte nicht wirklich originell, und von Professionalität wollen wir hier gar nicht sprechen. Aber was ist mit dem Rest? War das wirklich nötig?"
"Eigentlich nicht", sagte er, "aber alle machen das nun so."
"Wieso alle? Welcher gottverdammte Schriftsteller hat denn bitteschön ein eigenes Blog, oder gar ein Forum? Gut, Kai Meyer hat ein Forum auf seiner Website, aber der ist ja auch weitaus bekannter als du. Da tümmeln sich entsprechend auch die Leser und Fans, doch bei dir? Da ist doch nichts los, niemand kennt dich."
"Mein Verleger erzählte mir letztens erst etwas von Buchbestellungen aus Grönland, Puerto Rico und der Ukraine", protestierte er.
"Ja und? Glaubst du ernsthaft, die würden sich in deinem Forum registrieren, um dort über die Bücher zu diskutieren, die sie aus Deutschland bestellt haben?"
"Wo und mit wem sollten sie denn sonst darüber diskutieren?"
"Wieso muss man überhaupt über Bücher diskutieren? Es gibt doch Fernsehen!"
Da war er endlich still. Die Stirn krausziehend, kratzte er sich am Kinn.
"Und dieses Weblog?" bohrte ich weiter. "Wer glaubst du, wird da regelmäßig vorbeikommen, und deine dämlichen Einträge lesen? Häh? Wer? Was willst du überhaupt dort reinschreiben? Etwa fiktive Dialoge wie diesen hier?"
Da griff er ein weiteres mal in die Innentasche seines Jackets, zog eine Pistole heraus, richtete den Lauf auf mich, und sagte: "Unterschätze niemals die Macht eines Schriftstellers, du elendiger, aufmüpfiger Scheiß-Protagonist!"
Dann drückte er ab, und ich war tot.

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